"Billig wie Leitungswasser"
Am Dienstag, 18. Dez 2007 im Topic 'Literatur'
"Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen (...). Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren."
Bertolt Brecht, 1932
Spricht man über das Radio, darf die sogenannte "Brecht'sche Radiotheorie" nicht fehlen. Das aufstrebende neue Medium Anfang des 20. Jahrhunderts faszinierte den Literaten und bewegte ihn zu Träumereien über ein demokratisches Medium, das nicht nur "Distributionsapparat", sondern vor allem "Kommunikationsapparat" ist.
Darüber konstruiert Brecht nicht nur eine Medientheorie, sondern eine Gesellschaftstheorie, nach der sich durch das neue Medium gesellschaftliche Machtstrukturen wandeln und eine neue Ordnung hergestellt wird. Schließlich sei das neue Medium "billig wie Leitungswasser" (Brecht, 1932) und damit nicht nur für die Bourgeoisie zugänglich.
Aus heutiger Perspektive kann man Brechts Ausführungen über den Rundfunk wohl guten Gewissens als utopisch bezeichnen, gleichzeitig sind seine Visionen von damals die gleichen, die heute mit dem Internet verbunden werden. Auch hier stellt sich die zentrale Frage:
Kann das neue Medium eine neue, demokratischere Gesellschaft schaffen?
Und in unserem Zusammenhang:
Erfüllen sich durch das Internet Brechts Visionen zum Rundfunk doch noch durch das Webradio?
Möglicherweise war Brecht seiner Zeit weit voraus. Oder, wie er es ausdrückte: "Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist." (Brecht, 1932)
Literatur zum Thema:
Brecht, Bertolt (1927a): Radio – Eine vorsintflutliche Erfindung? In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 119-121
Brecht, Bertolt (1927b): Vorschläge für den Intendanten des Rundfunks. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 121-123
Brecht, Bertolt (1930a): Über Verwertungen. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 123-124
Brecht, Bertolt (1930b): Erläuterungen zum "Ozeanflug". In: Ders.: Schriften zur Literatur und Kunst. Bd. I. Suhrkamp Verlag, S. 128-131
Brecht, Bertolt (1932): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 127-134
Bertolt Brecht, 1932
Spricht man über das Radio, darf die sogenannte "Brecht'sche Radiotheorie" nicht fehlen. Das aufstrebende neue Medium Anfang des 20. Jahrhunderts faszinierte den Literaten und bewegte ihn zu Träumereien über ein demokratisches Medium, das nicht nur "Distributionsapparat", sondern vor allem "Kommunikationsapparat" ist.
Darüber konstruiert Brecht nicht nur eine Medientheorie, sondern eine Gesellschaftstheorie, nach der sich durch das neue Medium gesellschaftliche Machtstrukturen wandeln und eine neue Ordnung hergestellt wird. Schließlich sei das neue Medium "billig wie Leitungswasser" (Brecht, 1932) und damit nicht nur für die Bourgeoisie zugänglich.
Aus heutiger Perspektive kann man Brechts Ausführungen über den Rundfunk wohl guten Gewissens als utopisch bezeichnen, gleichzeitig sind seine Visionen von damals die gleichen, die heute mit dem Internet verbunden werden. Auch hier stellt sich die zentrale Frage:
Kann das neue Medium eine neue, demokratischere Gesellschaft schaffen?
Und in unserem Zusammenhang:
Erfüllen sich durch das Internet Brechts Visionen zum Rundfunk doch noch durch das Webradio?
Möglicherweise war Brecht seiner Zeit weit voraus. Oder, wie er es ausdrückte: "Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist." (Brecht, 1932)
Literatur zum Thema:
Brecht, Bertolt (1927a): Radio – Eine vorsintflutliche Erfindung? In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 119-121
Brecht, Bertolt (1927b): Vorschläge für den Intendanten des Rundfunks. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 121-123
Brecht, Bertolt (1930a): Über Verwertungen. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 123-124
Brecht, Bertolt (1930b): Erläuterungen zum "Ozeanflug". In: Ders.: Schriften zur Literatur und Kunst. Bd. I. Suhrkamp Verlag, S. 128-131
Brecht, Bertolt (1932): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 18, 133.-137. Tsd., Frankfurt a. M., S. 127-134
gerrit.holz,
Mittwoch, 19. Dezember 2007, 18:57
Oh. Ich glaube, ich sollte mal wieder eine Bibliothek aufsuchen - und dort ausnahmsweise einmal keine *.ppt-Slides auswendiglernen.
marienkaefer,
Mittwoch, 19. Dezember 2007, 23:33
Wenn du dich nicht durch einen Haufen Brecht'scher Primärliteratur graben willst, empfehle ich "Einführung in die Medientheorie" von Rainer Leschke. Da sind dann auch Enzensberger und Baudrillard zu finden, die sich kräftig an Brecht's Theorie bedienen ;-).